Schweif  

Kometen-Helligkeiten

Auch wenn die Schweife am meisten interessieren: Ein sinnvolles Maß für ihre Auffälligkeit ist bislang nicht definiert worden, und Vorhersagen sind bislang ein Glücksspiel geblieben. Die einzige übliche Messgröße für die Auffälligkeit eines Kometen ist die Gesamthelligkeit der Koma, die ziemlich schwer zu bestimmen sein kann, wenn diese ausgedehnt und diffus ist. Ein direkter Zusammenhang von Komahelligkeit und Pracht des Schweifs besteht nicht: Bei den Großen Kometen West (1976), McNaught (2007) und Lovejoy (2011) verblasste die Koma längst wieder, als sie ihre spektakulären Schweife entwickelten, und bei ISON dürfte es Anfang Dezember 2013 nicht anders sein. Die Komahelligkeit erlaubt gleichwohl, die generelle Entwicklung eines Kometen zu beurteilen und mit anderen zu vergleichen. Das Maß ist dasselbe wie bei Sternen: die »Größenklasse«, ein letztlich aus der Antike stammendes System, bei dem mit Helligkeit bei kleineren Zahlwerten größer ist.

So kann ein Stern »5. Größe« noch gut mit dem bloßen Auge gesehen werden, einer der 8. erfordert schon einen guten Feldstecher, und ein Stern 10. Größe ist etwas für Amateurteleskope, umgekehrt hat der Planet Jupiter etwa –2. und der Vollmond –12. Größe. Generell kann eine Koma immer nur schlechter am Himmel gesehen werden als ein Stern derselben »Größe«, weil sich ihr Licht über den Komadurchmesser verteilt. Das kann so weit gehen, dass selbst ein Komet 0. Größe unsichtbar bleibt, wenn sich sein Licht über eine große Fläche verteilt und der Himmel aufgehellt ist. Genau diese Situation ist auch bei hellen Kometen die Regel, da sie ihre größte Helligkeit erst in solcher Sonnennähe erreichen, dass sie nur in der Dämmerung zu beobachten sind. Haben sie allerdings einen langen Schweif entwickelt, verbessert sich die Situation: Dieser kann dann vor dunklerem Himmel beobachtet werden, während die Koma unter dem Horizont steht.

Nichts ist für die Erscheinung eines Kometen so entscheidend wie die Ausbildung seiner Schweife: Sie erst lassen letztlich aus dem Kilometer großen Kern ein Millionen Kilometer großes Spektakel am Himmel entstehen. Der Mittler ist die tausende Kilometer messende Koma, die die Sonnenhitze aus dem Kern hat wachsen lassen. Und nun sind es Sonnenstrahlung und Sonnenwind, die die Schweife heraus treiben. Der Gasanteil der Koma leuchtet, weil die Atome und Moleküle durch die ultraviolette Strahlung der Sonne angeregt werden. Manchen Molekülen und Atomen widerfährt jedoch noch mehr: Sie werden elektrisch aufgeladen und sind nun plötzlich dem Sonnenwind ausgeliefert, einem permanenten Strom ebenfalls elektrisch geladener Teilchen, der mit Hunderten Kilometern pro Sekunde die Sonnenatmosphäre verlässt.

Das geladene Gas wird – auf ziemlich komplizierte Weise – vom Sonnenwind mitgerissen und bildet einen Gas- oder Plasmaschweif, der immer relativ präzise geradlinig von der Sonne fort zeigt. Er besteht überwiegend aus einfachen Molekülen wie Wasser, Kohlenmonoxid oder Cyanid. Der Sonnenwind selbst wurde überhaupt erst dank der Gasschweife der Kometen zum ersten Mal nachgewiesen, denn er lässt sie nicht nur entstehen, sondern zwingt ihnen auch charakteristische Merkmale auf: Es können sich markante Strahlen ausbilden oder – wenn der Sonnenwind selbst Dichtesprünge aufweist – dramatische Knicke im Schweif oder gar komplette Abrisse. Da der Kometenkern freilich ständig neues Gas freisetzt, bildet sich solch ein verlorener Schweif rasch wieder neu. So wie die Gaskoma strahlen auch die Gasschweife nur in spezifischen Wellenlängen des Lichts, deren intensivste Farben das menschliche Auge leider kaum wahrnimmt: Zur Gesamterscheinung eines Großen Kometen tragen sie nur selten bei.

Dafür sorgt vielmehr der Staubschweif, der seinen Ursprung zwar ebenfalls in der Koma hat aber auf ganz andere Weise entsteht. Der Strahlungsdruck des Sonnenlichts wirkt auf die Staubteilchen wie eine Verringerung der Schwerkraft: Sie folgen nun nicht mehr einer streng Keplerschen Bahn um die Sonne sondern entfernen sich allmählich weiter von ihr als der Kometenkern selbst. Mit größerem Sonnenabstand wird die Bahngeschwindigkeit der Staubteilchen um die Sonne langsamer als die des Kerns: Der Staub fällt zurück. Kleinere Teilchen erleben eine stärkere Wirkung des Lichtdrucks und weichen besonders weit nach außen ab, die größten verlangsamen sich nur ein wenig und bleiben fast in der Kometen(kern)bahn zurück. Das Ergebnis ist eine geschwungene zweidimensionale Struktur aus Staub, die an der Kometenkoma hängt, in eine völlig andere Richtung zeigen kann als der gerade Gasschweif und auch nicht dessen Länge erreicht.

Oft sind die Staubschweife von Kometen ziemlich strukturlos: Das zeugt von einer gleichmäßigen Freisetzung des Staubes, sowohl mit der Zeit als auch im Bezug auf die Größenverteilung der Partikel. Allerdings kann eine schwankende Staubproduktion zu sichtbaren Dichtestrukturen im Schweif führen.

 
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